Der Fall
Nachdem dem Kellner nach jahrelanger Beschäftigung von seiner Chefin gekündigt wurde, legte dieser zusammen mit seinem Rechtsanwalt aus Hannover Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Hannover ein. Im Zusammenhang mit seiner Kündigung fordert er nunmehr seine ehemalige Arbeitgeberin zur nachträglichen Zahlung des – behaupteten – jahrelang einbehaltenen Trinkgelds auf.
Laut Angaben des Kellners habe dieser im Durchschnitt 2.000 Euro Umsatz pro Arbeitstag erzielt. Von diesem Umsatz habe er jeweils 2,5 Prozent an seine Arbeitgeberin abgeben müssen. Dieser Betrag sollte dann unter den übrigen Mitarbeitern, die keinen direkten Kundenkontakt hatten, verteilt werden. Dies sei nach Angaben des Mitarbeiters aber nicht erfolgt.
Erläuterung
Zunächst einmal ist zu klären, was unter „Trinkgeld“ im juristischen Sinne überhaupt zu verstehen ist. Hier hilft das Gesetz, denn in § 107 Abs. 3 S. 2 GewO wird das Trinkgeld als ein Geldbetrag definiert, der von einem Dritten ohne rechtliche Verpflichtung – also freiwillig – an den Arbeitnehmer gezahlt wird. Dieser freiwillig gezahlte Betrag steht dann dem Kellner unmittelbar selbst zu. Das bedeutet, dass dem Arbeitgeber kein Recht zusteht, das Trinkgeld dem Arbeitnehmer abzunehmen. Selbst dann nicht, wenn er es nur deshalb an sich nimmt, um es gerecht an alle Mitarbeiter, die u.U. nicht in den Genuss von Trinkgeld kommen, zu verteilen. Dies ist im Übrigen auch ein häufiges Argument, welches die Gastronomen für eine derartige Trinkgeldregelung anführen.
Die Rechtsprechung erkennt dieses Argument jedoch nicht an. Die Gerichte bewerten das Trinkgeld als eine persönliche Zuwendung des Gastes aus einer bestimmten Motivationslage heraus. Es soll damit speziell die Leistung des Kellners anerkannt werden und nicht etwa die des Kochs, vgl. Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 09.12.2010, Az. 10 Sa 483/10. Nur unter bestimmten Voraussetzungen soll mit der Zahlung eines Trinkgeldes eine Teamleistung vom Dritten anerkannt werden. Dann muss diese Teamleistung auch erkennbar sein. An dieser Voraussetzung dürfte es in den meisten Gastronomiebetrieben aber fehlen, da Kellner in der Regel meist bestimmten Tischbereichen zugeordnet sind und sie sich hauptsächlich auch um diese Gäste zu kümmern haben.
Exkurs
Neben dem Trinkgeld taucht häufig auch das sog. „Toilettengeld“ auf. Dieses wird von den Toilettenbesuchern meistens stillschweigend auf den Sammelteller des Toilettenpersonals gelegt. Ist dies nun eine Anerkennung für die Leistung des Toilettenpersonals oder doch ein Entgelt für die Nutzung?
Die Rechtsprechung sieht hier aufgrund der Gesamtumstände das Toilettengeld dem Toilettenpersonal gehörend. Denn die gesamten Umstände und das geschaffene Ambiente (Tisch, Sammelteller und im weißen Kittel sitzenden Toilettenpersonal) lassen keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Kunde nicht dem Personal, sondern speziell dem Arbeitgeber ein freiwilliges Nutzungsentgelt überlassen möchte. Das Toilettengeld steht somit grundsätzlich dem Personal zu.
Hinweise für die Praxis:
Arbeitnehmer
- · Das Trinkgeld ist gem. § 3 Nr. 51 EStG grundsätzlich steuerfrei; aber Achtung: es gibt für bestimmte Arten von Trinkgeldern Ausnahmen!
- · Ein Anspruch auf Trinkgeld besteht nach der Rechtsprechung nicht für die Zeit während des Urlaubs oder der krankheitsbedingten Abwesenheit
- · Dokumentieren Sie sorgfältig Ihre Arbeitstage und Ihren im Betrieb gemachten Umsatz. So können Sie in einem etwaigen Prozess erfolgreich den Nachweis über einbehaltenes Trinkgeld führen.
Arbeitgeber
- · Bestimmen Sie nicht einseitig, dass das Trinkgeld von Ihnen einbehalten und dann unter den Mitarbeitern verteilt wird. Sie riskieren hohe Nachzahlungsforderungen Ihrer Mitarbeiter!
- · Sollte sich der Arbeitnehmer weigern, ein Teil des Trinkgeldes für seine Kollegen an Sie abzuführen, so kann ihm deswegen nicht gekündigt werden.
Dogukan Isik - Ihr Rechtsanwalt aus Hannover für Arbeitsrecht u.a.